Friederike Kunath

30. Jan. 2017

Was Träume mit To-do-Listen zu tun haben

Aktualisiert: 19. Okt. 2020

Viel zu tun. Das neue Jahr startete bei mir genauso, wie das alte geendet war: In hohem Tempo, keine Pause, viel zu erledigen. Zu tun. Die To-do-Liste, die ich inzwischen tatsächlich habe, ist stattlich.

In solchen Zeiten ist das Gefühl, nur ein ausführendes Organ zu sein, nicht fern. Nicht zu bestimmen und zu gestalten, sondern zu erledigen. Nicht das Eigene, sondern etwas Fremdes.

Gestern beim Schreiben meiner Morgenseiten ging ich diesem Gefühl etwas nach. Was fehlt denn eigentlich im Moment? Als Antwort hörte ich:

Dass das Leben mit mir spricht.

Es fühlt sich an, als ob mein Leben gerade nicht mit mir verbunden ist. Es redet nicht mit mir. Ja, wo ist es denn und was tut es?

Es döst, es schaut dem Winter zu, der Dunkelheit, Kälte, der Starre. Es ist schweigsam. Es ist so sehr bei sich, dass es nicht einmal mir mitteilt. Es ist ganz zufrieden damit. Eigentlich möchte es, dass ich es gern noch eine Weile da lasse, es in Ruhe lasse.

Es sagt zu mir: Kümmere dich doch solange einfach um deine Aufgaben. Du hast doch genug zu erledigen, oder? Mach das doch einfach.

Ich war baff. Ja, das stimmt natürlich. Ich stehe ja nun nicht gerade in der Gefahr, vor Langeweile zu vergehen. Es sind genug Dinge zu tun, und ja, dafür brauche ich ja eigentlich nicht die tiefe, existentielle Begeisterung meines Lebens. Dafür reicht doch dieses Gefühl im Moment.

Das winterliche, schweigsame.

Was ist eigentlich so schlimm, überlegte ich dann, an To-do-Listen? Also daran, dass sie nie kürzer werden? Dass das Unerledigte immer nachrutscht, sobald ein Punkt in den wundersamen Bereich “Getan!” übergegangen ist? Nun ja, das Unerledigte nervt, weil ja Erwartungen damit verbunden sind, von mir und anderen, was sich verändern würde, erledigte ich das. Das Rad am Laufen halten, eins gibt ja das andere …

Aber andererseits? Der Punkt, dass die Liste leer ist, wird ja niemals erreicht. Das ist ganz natürlich, denn wenn ein Schritt getan ist, steht der nächste an.

Wäre die Liste wirklich einmal leer,

gäbe es nichts mehr zu tun, was täte ich denn dann? Dann würde ich mich wohl auf die Suche machen nach etwas, was zu tun wäre. Was mich interessiert und begeistert, sodass ich es in die Realität bringen möchte. Und dann wären sie wieder da: Die zu erledigenden Dinge. Die To do’s.

Dass ich eine gut gefüllte To-do-Liste habe, ist die Folge meiner Ziele, Wünsche und Visionen. Als sie noch Visionen waren, ja, da waren sie Verheissungen, weite helle Räume, von deren Beschreiten ich mir eine Erfüllung erhoffte, ein Beschenktwerden. Wünsche haben irgendwie immer etwas von Passiv-Sein, Empfangen. Dann ging es los, ging das Zugehen auf die Wünsche und Träume los, das Realisieren … Und unter der Hand, beim Näherkommen, wandelten sie sich, es zeigte sich, dass sie Aufgaben sind. Ich bin gefragt, ich muss entscheiden und anstossen und tun und machen.

Seltsam und eigentlich, dieser Gestaltwandel der Träume. Es hat unweigerlich etwas Enttäuschendes, wenn Visionen sich erfüllen. Nicht, weil das Gewünschte nicht Realität würde – sondern, weil damit so viel eigene Aktivität verbunden ist. Und das stellt man sich selten in vollem Ausmasse vor.

Du willst empfangen und bist gefragt zu geben.

Du willst beschenkt werden und bist aufgefordert Dinge zu erledigen.

Du willst dich führen lassen und bist gefragt zu entscheiden.

Du willst getragen werden und bist gefordert Verantwortung zu übernehmen.

Schön ist es, wenn beides immer mehr zusammengeht. Genau das ist die Weise, wie die eigenen Träume Wirklichkeit werden – sie gehen durch deine Hände, niemals fallen sie einfach nur hinein. Du wirst durchlässig für eine Kraft und eine Liebe, die nicht aus dir selbst kommt, aber durch dich erst sichtbar und wirksam wird.

Ein wundersamer Tanz, zwischen Dir und den Träumen.

Und da ist er dann wieder, unerwartet: Der Zauber, mittendrin im Machen, du wirst ja geschaffen in jedem Moment und tust darin nur mit.

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