Das ist ein experimenteller Artikel - statt zwei geplanter. Ich beginne und weiss nicht, wo ich landen werde.
Ich hatte ganz kluge Pläne für diesen Artikel
Hier sollte einer von zwei Artikeln stehen, die ich nicht mehr schreiben kann. Der eine sollte “My supportive partner” heissen, es sollte um die Etablierung der Schreibaffäre gehen, hin zu einer Beziehung - und darum, wie sich die Partner in einer Beziehung unterstützen. Darüber kann ich jetzt aber nicht schreiben, weil mein Schreiben inzwischen viel zu sehr etabliert ist, zu viel Beziehung und zu wenig Affäre geworden ist. Ich muss etwas anderes schreiben.
Der andere Artikel sollte “Verstand und Gefühl” heissen, es sollte um Reflexion gehen, die Kunst des Innehaltens, Verstehen-Könnens, Analysierens, beim Schreiben wie bei einer reifen Beziehung. Ich lese diese Notizen, langweile mich und erschrecke. Da ist kein Leben drin. Vielleicht war es das, als wir diese Ideen notierten. Aber jetzt nicht mehr.
Ich verwerfe die Pläne und experimentiere
Ich verwerfe diese zwei Artikel und mache etwas anderes. Ich fahre dieses Kapitel mit einem originalen, unveränderten Text aus meinen “Morgenseiten” fort, da wo ich ganz privat, mit Bleistift schreibe, eigentlich ohne die Absicht, irgendetwas aus diesen Zeilen zu machen. Geschweige denn, es jemand lesen zu lassen. Und daraus spinne ich dann gleich, also jetzt beim Schreiben dieses Kapitels, alles weitere. Ohne Plan. Schauen wir mal.
Genau da ist sie eben, die Affäre mit dem Schreiben, nur wir beide, da ist die Ehrlichkeit und die Neugierde, das Nicht-Wissen, was als nächstes kommt. Da ist mein Herz fürs Schreiben.
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Meine Morgenseiten: Schreiben ohne Plan
29. Januar `22
Wieder einmal, morgens und nicht allzu lang nach dem Aufstehen (vor 40 Minuten), also vielleicht ist das innere Tor noch offen genug. Ja, schon halte ich inne und überlege, was ich schreiben könnte. Was ich tun könnte, ein kleines Planen, was soll ich, müsste ich, sollte ich, was wäre nützlich, gut, wichtig … Oh, ich spüre Wut darüber und die Lust, all das zu zerschlagen.
Entdecken, auch das schon eine Intuition, vielleicht nichts “um zu …”, ich weiss es nicht, der Stift übernimmt. Der Stift übernimmt die Führung. Noch spüre ich, wie ich gehetzt bin, der Kopf rattert, versucht zu liefern, strengt sich an, ich höre das Ticken der Uhr, schnell schnell alles aufs Papier, die Hand verkrampft etwas, die Schrift wird unleserlich und hektisch, aber auch sehr schön, weil sie gar nicht schön sein will, nichtmal leserlich. Ist ja nicht zum Lesen da.
Ich schreibe nicht um gelesen zu werden. Ich bin müde und so wütend, wegen Beatrice und des Kontostands und überhaupt. Und hab keine Lust zu schreiben, es tut weh und ist anstrengend. Puh!
Kleine Pause gegönnt, Tee geschlürft, kurz eine Story gepostet. Ach, wie gut es mir tut, die Regeln zu durchbrechen! Bin jetzt viel ruhiger, richtig spürbar, und zufriedener.
Vielleicht brauch ich das, jeden Tag einen kleinen Regelbruch, hmmm.
Ich höre Vögel zwitschern draussen, so still ist es, durch die geschlossenen Fenster. Den Kühlschrank höre ich noch. Und dann so ein leises Summen, könnte von der Fotolampe kommen.
Ich bin ruhig, ach ja, eine Banane hab ich noch gegessen, das hat vielleicht auch geholfen. Ich hab Lust auf Business, auf Verkaufen, individuelle Gespräche, Angebote, und auf die Programme / das Retreat und auf die Business-Thematik. Ich hab Lust auf Grösse, auf satte Ausdehnung, auf Geld auf dem Konto, auf Macht und Gestaltungspower. Ich höre Stimmen, mahnende, fragende, … sie sind immer da und ich weiss nicht, ob gut als Ratgeber, oder schlecht als Hemmer.
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Wie weiter? Ich taste mich voran
Hier verlasse ich die Morgenseiten. Darinnen wird es um meine christliche Erziehung gehen und ob diese für all die mahnenden Stimmen verantwortlich sei, die sofort auftauchen, wenn ich gross und reich und mächtig sein will, was ich nicht beantworten kann, weil einfach mein ganzes Leben im kirchlichen und christlichen Raum stattfand und ich aber nicht weiss, ob die Menschen da so sind mit ihren Prägungen, weil sie Christen sind, oder zufällig auch Christen, und auch andere Leute aus demselben Land und Gesellschaftsschicht genauso getickt haben, und am Ende fand ich das interessant, so darüber nachzusinnen, hab aber keine Antwort gefunden. In einem anderen Buch werde ich das behandeln, das Thema Glaube und Spiritualität und wie das für mich inzwischen so ist als Selbständige. Hier aber soll es ja ums Schreiben gehen, also verlasse ich die Morgenseiten und spinne den Faden anders weiter.
Allerdings ist mein Problem, dass ich nicht gern übers Schreiben schreibe, ausser so wie oben in den Morgenseiten. Ich finde es für mich kein spannendes Schreibthema, wenn es allgemeingültig sein soll und mit Ratschlägen - weil ich ja schreibe, um über andere Themen klar zu werden und sie zu entdecken und vor allem: um tiefer zu leben, mehr zu fühlen, Mut zu fassen, Wut zu artikulieren und für all die anderen Ziele, zu denen das Schreiben gut ist.
Ich schreibe nicht, um Ratschläge übers Schreiben zu geben. - Mein Dilemma
Ich schreibe nicht, um Ratschläge übers Schreiben zu geben. Wenn ich coache oder Ratschläge gebe, schreibe ich nicht.
Was tun? Ich will mich nicht verbiegen und leicht sein soll es auch, Spass machen, das Schreiben. Also muss ich hier mein Eigenes finden, das, was mich wirklich interessiert. Weil das dann auch immer das ist, was andere inspiriert. Vielleicht ist es genau diese Sache, die ich dir mitgeben will:
Denk nicht so viel übers Schreiben nach, sondern über dein Thema.
Meine Klienten im Schreibcoaching und meine Kursteilnehmer sind regelmässig überrascht, dass wir so viel über ihre Inhalte reden. Worum geht es denn in deinem Text? Um dein Leben als Autodidaktin, um eine dramatische Freundschaftsgeschichte, um deine Grosstante, eine Missionarin in Südafrika, um deine Krebserkrankung und wie du damit umgehst … Wow! Spannend, erzähl mir mehr. Was heisst das genau? Meinst du das damit? Kannst du eine Anekdote erzählen, etwas Erlebtes, wo das plötzlich klar war, dass du diesen Weg weitergehst? Hm, mir fällt dazu ein …
Wir haben erst kürzlich in meinem Kurs zum Buchschreiben für Beginner eine ganze dreistündige Sitzung nur über die Inhalte der Buchprojekte gesprochen, intensiv über jeden einzelnen. Nicht übers Schreiben oder gute Texte, das läuft eher so nebenbei mit.
Denn wenn du richtig Feuer und Flamme für dein Thema bist, wenn du sprudelst vor Geschichten und deinen Erkenntnissen, dann hast du das Wichtigste für einen guten Text.
Plötzlich bin ich verbündet mit dem Schreiben: Wir co-kreieren!
Eigentlich ist das Schreiben dann schon dein Partner geworden, weil ihr zusammen (er)schafft, weil ihr co-kreiert. Unter der Hand ist die Affäre also doch verbindlicher geworden. Darüber wollte ich ja eigentlich sowieso schreiben. Hat es sich meinen Text also doch noch geschnappt.
Gerissene Bitch!
Herzlichst, deine Friederike
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