Ich bin eine von euch. Ich bin wie ihr, wie ihr Frauen. Ich bin begabt, angepasst, missbraucht auch, befreit. Immer habe ich mich allerdings anders gefühlt, anders als die anderen Mädchen und Frauen. Und meistens war ich stolz darauf. Und bin es noch, wenn es darum geht, kein Durchschnitt zu sein. Ungewöhnliche Entscheidungen zu treffen, mutig zu sein. Ja, ich liebe es, besonders zu sein und weiss, dass ich es bin.
Besonders wie du, besonders wie ihr. Obwohl ich glaube, dass alle Frauen das Zeug dazu hätten, handeln nur wenige danach. Das sind wir. Das verbindet uns. Damit es immer mehr werden, müssen wir uns zeigen. Ich muss mich zeigen. Für euch, liebe besondere, starke, freie, sehnsüchtige Frauen, mit so viel mehr in euren Herzen, das heraus muss, für euch ist dieser Text. Verbinden wir uns und teilen wir unsere Geschichten.
Ich bin eine von euch:
Geboren in die Mitte. Das dritte von fünf Kindern. Musste mich durchsetzen, lernte mich anzupassen, war selbständig und fügsam. Du wurdest am meisten übersehen von uns, sagte mein Bruder einmal. Friederike fügt sich sehr gut ins Klassenkollektiv ein, stand im Zeugnis.
Ich bin eine von euch:
Ging so gern in die Schule, obwohl ein Kirchenkind in der DDR, hatte Glück mit der Lehrerin. War kein Pionier. Wuchs heran mit der Normalität, als Christ Minderheit zu sein. Glaube war immer etwas Persönliches, Zartes, Individuelles, von anderen Bezweifeltes. Ich finde das ganz normal.
Ich bin eine von euch:
Als ich 8 war, lernte ich, wie es ist, missbraucht zu werden. So seltsam, die Gewissheit, dass das falsch ist. Und doch die Scham. Das Vergessen, über viele Jahre. Nur mein Körper erinnert die Nähe des anderen Körpers ganz nah am Rücken und speichert den Widerstand dagegen, den Ekel. Mein starker, kluger Körper. Dann ein Dämmern, Erinnern, Bestätigung, schliesslich die Bitte um Vergebung. Doch vergeben kann ich das nicht.
Ich bin eine von euch:
Schwester von Tobias, Autist. Der jüngste von uns, angewiesen auf uns und auf so viel. So viel Verständnis in mir, immer, unendlich, für die Kraft, die er brauchte. Ich lernte, wie schwer es sein kann für ein Kind, laufen zu lernen. Und unmöglich, zu sprechen. Wieviel Frust in einem Kind stecken kann, wieviel Überforderung. Ich lernte, wie man jemanden liest, der nicht spricht und dich nicht anschaut. Wie seine Freude aussieht, seine Entspannung. Wütend wurde und werde ich, wenn Menschen Behinderte abwerten, sich lustig machen.
Ich bin eine von euch:
Gerade 18 und frisch im Studium, mit Topabitur als Jahrgangsbeste. Stolz darauf, dabei war es einfach. Schon mit 14 leitete ich einen kleinen Jugendchor nebenbei, Zeit für Viola-Unterricht war auch noch. Das Gefühl, nicht zu wissen, wohin mit diesen Talenten? Immer auch Scham darüber. Nicht zu viel zeigen. Das ist arrogant. Der erste Freund bleibt eine Sommergeschichte, Trennung im ersten Semester. Dabei war so viel Mut da gewesen, aber er fand, es sei sowieso nichts richtiges gewesen. So tief beschämt. Aber wie sollte man das erklären, dieses Einfrieren nur schon bei einer Berührung.
Immer noch 18, meine Mutter wird diagnostiziert mit Depression, stationär behandelt über Monate. Du musst dich dann um deine Schwester kümmern, wenn ich nicht mehr da bin, sagt sie noch. Ungläubig und abwehrend ich, nein nein, ach was, du bringst dich nicht um. Sie ist jetzt fast in dem Alter, in dem ihre Mutter Suizid beging, meine Grossmutter, deren Namen Ruth ich trage. Die Mutter, die mich oft so kalt fand und abweisend, etwas wäre doch mit mir nicht in Ordnung. Doch ihre Sicht auf mich hinterfragen, das kann ich hier noch lange nicht.
Ihre Medikamente wirkten. Die Mutter ganz betäubt und aufgedunsen, ein Schatten, aber wenigstens auch zu schwach für den Abgrund. Ich, froh, nicht mehr zuhause zu sein. Trotzig hinein in das eigene Leben. 5 Jahre später wieder so ein Anruf, mein Vater wird eingeliefert, Suizidgefahr. Überarbeitet und diese Existenzangst als Selbständiger, plötzlich war es zu viel. Glück im Unglück: Wie meine Mutter ihn unterstützt, ihm beisteht, ihn liebt. Wie zwei Menschen so viel überstehen können!
Bin ich eine von euch?
Nochmal 3 Jahre zurück. Ich bin 20. Lerne einen Mann kennen, fast noch einen Jungen, so rein und pur kann es also sein. So viel Verstehen. Doch doch, die Liebe kommt schon noch, lass dich ein, entscheide dich dafür. Das Unglück nimmt leise seinen Lauf. Egal, was die anderen sagen. Nur wir zwei gegen den Rest, zu tief verbündet, viel zu tief. Verstrickt und ich, fast erstickt darin. Nur noch flache Emotionen, innerlich tot. Meine Mutter sieht es, sie sieht mich. Als würde ich auf sie hören! Die beste Freundin ist auch skeptisch. 11 Jahre später der grosse Knall. Die Blicke der Männer, die davon erfahren, was, sie hat sich getrennt, sie sind doch verheiratet, nein, das … Die Blicke, ach, so eine ist das, zerstört den Mann, lässt ihn einfach hängen, egoistisch … Ich höre es in meinem Kopf und sehe es in ihren Augen. Die Beziehung zu meinem Vater kühlt ab, wir standen uns immer nahe. Doch das, nein das versteht er nicht. Die beste Freundin, damals Trauzeugin, ist schockiert, entfernt sich. Das tat richtig weh.
Ich bin eine von euch:
Mache mich schmutzig, mache mich schuldig. Da beisst die Maus keinen Faden ab. Meine Handlung hat Konsequenzen, sehr hart. Er fällt, tief, sehr tief. Was ist es wert, mein Versprechen? Er schlägt auf, nicht mehr derselbe, ohne den Halt. Mich. Das kann doch nicht … ich kann doch nicht so wichtig sein! Es ist, wie es ist. Der Schatten über meiner Freiheit, er bleibt.
Ich bin eine von euch:
Befreie mich. Erobere meinen Körper, meine Lust, meine Liebe. Entscheide mich: Ich will lieben lernen. Mission accomplished! Lerne, meinem Bauchgefühl zu vertrauen, meiner Intuition, meinen Instinkten. Oh, sie haben ja recht, sie haben immer recht gehabt! Ich bin ja gar nicht kaputt. Alles in Ordnung. Alles in bester Ordnung. Ich kann das ja, lieben. Sogar richtig gut. Und nichts ist kaputt gegangen.
Das Gefühl, wenn das eintritt, was du dir erträumt hast, und es ist wirklich so gut, wie du dachtest. Unbeschreiblich.
Ich bin eine von euch:
Vielseitig begabt, flexibel, intelligent, schnell, mit rasanter Auffassungsgabe, was gern genutzt wurde, wenn es passte. Gerade auch in der Kirche. Für die eigenen Träume aber, ja, dafür musst du selbst eintreten. Interessiert keinen. Es geht ja nicht um uns, nicht wahr? Auch darüber müsste man mal reden, Missbrauch von Begabungen in der Kirche.
Ich bin eine von euch:
Beruflich passt es auch nicht mehr. Das nächste Kampffeld, mit Mitte 30 zeigt es sich. Also auch das angehen, auch da nicht nachgeben. Es hilft, schon einmal erfolgreich genau das erreicht zu haben, was du wolltest. Du weisst, dass du dich nicht irrst! Also heisst es wieder: Dich ernst nehmen. Auf die innere Stimme hören. Durch die Angst hindurch handeln. Die Arbeit bauen, die dich erfüllt. Nach den eigenen Regeln.
Du bist eine von uns.
Frau, zeige dich.
Frau, gib nicht nach.
Frau, erzähle deine Geschichte.
Ich sehe dich. Im Verborgenen. Ich höre dich. Deine Träume flüstern in meinen Ohren.
Dein Hadern, deine Scham. Und: Deine Weisheit, deine Schönheit, deine Stärke.
Dir erzähle ich meine Geschichte. Damit du dich zeigst. Für dich überwinde ich meine Angst. Dir mache ich Mut.
Es ist möglich. Du bist eine von uns.
Tief verbunden,
deine Friederike
***
P.S.: Am 20. Oktober startet die SchreibStimme Online Autorenschule. Am 24. Oktober startet offline die SchreibStimme Autorenschule.
Frau, die du etwas zu erzählen hast, die du etwas erlebt hast, wir alle brauchen deine Geschichte. Ich weiss, es arbeitet schon lange in dir. Ich weiss, die Geschichte will raus. Sie ist gross und du träumst davon, sie zu erzählen. Du bist unsicher, ich weiss. Du denkst, das kannst du nicht machen, alle werden es lesen.
Die Autorenschule ist ein geschützter Raum, eine kleine Gruppe, die sensibel und individuell auf dem Weg zum Buch betreut wird. Sie ist für die Mutigen, die nicht noch länger ihre Geschichte zurückhalten wollen bis “irgendwann”. Für die, die jetzt mutig sein wollen. Den ersten Schritt wagen.
Bist du dabei?
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