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Wie mich meine Schreibthemen finden

Aktualisiert: 20. Okt. 2020



Ich suche mir meine Themen, über die ich schreibe, nicht aus. Sie suchen mich aus.


Als ich heute meine Morgenseiten schrieb, machte sich schnell ein nerviges Thema bemerkbar: Ich brauche einen neuen Blogartikel! Am besten einen Schreibtipp, eine Schreibstrategie! Ok, das kam nicht erst heute hoch, sondern gärt schon einige Tage.


Das Problem daran: Gerade interessieren mich Schreibstrategien und Tipps nicht die Bohne. Eigentlich interessieren sie mich generell nur wenig. Meine effektivste Schreibstrategie?


Morgenseiten. Tagebuch nehmen und loslegen. Einfach schreiben, irgendwas, was im Kopf ist, was in den Kopf kommt, sich frei schreiben. Und dann sehen, was danach kommt.


Aber darüber einen Artikel schreiben? Ich will gar nicht, dass du viel darüber liest. Man muss nicht viel darüber lesen. Ach, mach es einfach!


Ich hatte also vielleicht 1,5 Seiten geschrieben und dachte, ok, jetzt kommt nix mehr. Ich hab irgendwie nichts zu sagen über das Schreiben. Jetzt nicht, heute nicht.


Ich hab was zu sagen über das Singen.


Oder besser: Da will etwas gesagt, geschrieben werden über das Singen. Im Moment planen wir einen Abend mit dem Titel “Novembermond”, mit Musik und Lesung, um Verbindungen zu schaffen, uns vorzustellen und neue Menschen kennenzulernen. Einen stimmungsvollen Abend, bei dem ich etwas von Gershwin und von Weill und von Brecht (und vielleicht noch Schumann) singen möchte.


Es ist nicht egal, dass es gerade diese Lieder sind. “The Man I Love” von Gershwin, “Speak Low” von Weill und “Pflaumenbaum” von Brecht. Ja, und “Mondnacht” von Schumann. Es waren noch mehr Lieder im Gespräch, die etwas mit dem Mond oder der Liebe oder beidem zu tun haben. Doch diese sind es, sie waren es sofort. Sie passen einfach, ich spüre eine Verbindung zu ihnen wie zu interessanten, besonderen Menschen, die ich kennenlernen möchte. Von denen ich weiss, dass da mehr entstehen wird, bei denen diese prickelnde, leichte Freude da ist.


Dabei dachte ich immer, solche Lieder wie von Gershwin und Weill würden nicht zu mir passen. Zu wenig klassisch, zu gefühlvoll.


Irgendwie fühlen sie sich gefährlich an, weil ich vertrautes Gelände verlasse.


Da kann, da muss man improvisieren, nicht einfach streng den Noten folgen.


Ich habe begonnen, sie ein wenig zu singen. Ohne Technik, ich “übe” sie nicht. Das passt irgendwie nicht. Ich habe einfach geschaut, wie sie so klingen, wie sie vielleicht klingen wollen in mir und durch mich. Ich gebe den Anstoss, ich gehe gewissermassen auf das Lied, die ersten Töne zu, und dann lasse ich es klingen. Ich vergesse, was ein guter Klang wäre, ich vergesse, wie ich denke, singen und klingen zu wollen oder zu müssen. Ich geniesse einfach diese Begegnung, lasse mich überraschen.


Und heute, auf den Morgenseiten, drängte sich das Singen als Thema ins Zentrum. Keine Chance, über was anderes zu schreiben. Also liess ich auch das zu. Bin ich denn Sängerin? Darf ich das? Über das schreiben, was mich wirklich bewegt, egal ob ich denke, dass es gerade passt? Das ist für mich authentisches Schreiben. Der inneren Stimme folgen, den Impulsen nachgehen. Da ist sie nun also doch, meine Schreibstrategie.


Schreiben über das Drängende, was dich bewegt und umtreibt, das Schöne und Betrübliche, dieses Schreiben befreit. Wenn du das willst, scheue dich nicht, die beunruhigenden Themen zu wählen. Die, bei denen du Angst hast dich zu blamieren, nicht den Erwartungen zu entsprechen, zu enttäuschen.

Bleib bei dem, was sowieso gerade bei und in dir passiert. Es zu verdrängen, wird nicht nur dein Schreiben töten, sondern auf Dauer alle Kreativität. Nimm wahr, wo Licht hinfallen darf.


Und dann beschreibe einfach, was du wahrnimmst.


Das ist nun also mein zweiter “Schreibtipp”: Genau wahrnehmen, genau hinhören und hinsehen und genau wiedergeben, was du siehst.


Weil unser Schreiben Stoff braucht, auch Stoff, der nicht aus den Worten kommt, werden wir bei unserem 1. Workshop im Januar auch gemeinsam singen, Yoga und Spaziergänge machen. Und dann das Wortlose, das wir erlebt haben, in Sprache bringen.


Ich liebe diese Momente, wenn ein Lied mich wählt. Und wenn ein Thema mich findet.


Lass dich finden von dem, was gesagt werden will von dir.

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